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Phaidra - Liebe Untreue - Theseus

Phaidra - Liebe Untreue - Theseus - Griechische Sage
Phaidra 

Phaidra
- Liebe Untreue - Theseus - Griechische Sage 

Trotz des traurigen Todes seines Vaters verlebte Theseus gute Jahre als König von Athen. Mit seiner Frau Hippolyte hatte er einen Sohn namens Hippolytos. Nach dem Tod seiner Ehefrau heiratete Theseus abermals: Phaidra, die jüngere Schwester der Ariadne.

Phaidra war eine sehr schöne Frau, aber sie zeigte nicht die Treue einer guten Ehefrau. Als Theseus einmal länger abwesend war, bemühte sie sich von Liebe bewegt, den jungen Hippolytos zu treffen. Auch wenn Phaidra wusste, dass sie sich nicht richtig verhielt, glaubte sie dennoch am meisten den Ratschlägen ihrer Freundin.

Diese schlechte Frau ermunterte nicht nur Phaidra immer zur Liebe zu Hippolytos, sondern versuchte auch noch den jungen Mann zu überreden, dass dieser seinen Vater Theseus verrate und ihn möglichst schnell aus seinem Königreich vertreibe. 

Der Sohn Hippolytos, durch diese Ratschläge sehr erschreckt, zog sich sodann in das Heiligtum der Göttin Diana zurück, um die Rückkehr des Vaters abzuwarten. Nun begann Phaidra zu fürchten, dass der zurückkehrende Theseus ihre schändlichen Pläne bemerkte.

Und weil Phaidra auch fürchtete, schwer bestraft zu werden, beschloss sie, den Tod auf sich zu nehmen. Da sich ihre große Liebe nun zu gewaltigem Hass gewandelt hatte, wollte sie dem Hippolytos auch noch Sachen zufügen. Deshalb schrieb sie kurz vor ihrem Tod einen Brief an Theseus mit ungefähr folgenden Worten:

»Es grüßt sich Phaidra, deine gute Ehefrau. Wenn du diesen Brief gefunden hast, werde ich schon tot sein. Erkenne durch das Lesen das Verbrechen, das dein Sohn begangen hat.

Dieser Schurke hat es nicht länger ertragen, dass er ohne Macht ist. Deshalb hat dieser den Beschluss gefasst, dich entweder zu töten oder aus dem Königreich zu vertreiben.

Auch wenn ich allzu tapfer Widerstand geleistet habe, hörte er nicht auf, mich seine Ehefrau zu nennen. Als er aber erkannte, dass ich die Treue einer guten Ehefrau bewahren würde, zwang er mich, den Tod auf mich zu nehmen.

Leb wohl, bester Ehemann, und behalte mich in Erinnerung! Hüte dich besonders vor deinem Sohn!«

Tatsächlich fand Theseus wenig später diesen Brief in der Hand seiner toten Ehefrau.

Nachdem er den Brief gelesen hatte, wurde er von so großer Raserei entflammt, dass er den Gott Neptun bat: »Sorge dafür, dass mein gottloser Sohn bald umkommt!«

Als nun Hippolytos zu seinem Vater Theseus kam, um ihm die grausamen Pläne der Phaidra mitzuteilen, glaubte dieser nicht den Worten seines Sohnes, sondern schickte ihn in die Verbannung. 

Und schneller als Theseus geglaubt hatte, ist sein Sohn umgekommen. Als Hippolytos nämlich traurig die Heimat verließ und seinen Wagen zu der Küste hin lenkte, erhob sich auf Veranlassung des Neptun ein gewaltiges Ungeheuer aus dem Meer.

Erschreckt von dessen Anblick stürmten die Pferde dahin und schleuderten Hippolytos aus dem Wagen. Bald darauf ging er schwer verletzt zugrunde.

So hat der unglückliche Theseus an einem Tag sowohl seine zweite Ehefrau als auch seinen Sohn verloren.

Phaidra - Liebe Untreue Unglück - Theseus - Griechische Sage


Autor*in: Griechische Sage

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    Trotz des traurigen Todes seines Vaters verlebte Theseus gute Jahre als König von Athen. Mit seiner Frau Hippolyte hatte er einen Sohn namens Hippolytos. Nach dem Tod seiner Ehefrau heiratete Theseus abermals: Phaidra, die jüngere Schwester der Ariadne.

    Theseus und Prokrustes - Griechische Sage

    Theseus und Prokrustes – Griechische Sage – Mythologie
    Theseus und Prokrustes 

    Theseus und Prokrustes 

    Griechische Sage – Mythologie


    Der Held Theseus wuchs bei seiner Mutter Aithra in Troizen auf. Erst als Jugendlicher hörte er, dass sein Vater Aigeus sei, der damals König von Athen war. Alsbald machte er sich auf den Weg dorthin, um seinen Vater kennenzulernen. Wie sein Vorbild Herkules brachte er während dieser Reise viele Räuber, Wegelagerer und Riesen zur Strecke.

    Nicht weit von der Stadt Athen lebte damals Prokrustes. Er war ein grausamer Mensch und größer als ein hoher Baum. Er ließ keine Gelegenheit aus, seine Gäste mit einer schändlichen List zu täuschen.

    Als einmal ein Gast auf dem Weg nach Athen am Haus des Prokrustes vorbeiging, ging dieser schnell heraus und sagte mit überaus freundschaftlichem Gesichtsausdruck: »Sei gegrüßt, Wanderer! Ich sehe, du Ärmster, dass du von der Reise ermüdet bist. Schau! Schon ist der Abend da und die Nacht wird bald zur Stelle sein. Es ist sehr schwierig, in der Dunkelheit zu reisen. Das Leichteste ist jedoch, die Reise auf den folgenden Tag zu verschieben.«

    Weiter sprach er: »Betritt mein Haus! Wenn du willst, wirst du in dieser Nacht hierbleiben und dich mit guten Speisen erfrischen. Ist nämlich der Hunger mal vertrieben, wirst du schneller nach Athen kommen. Warum zögerst du noch?«

    Immer wenn irgendeiner der Gäste sodann das Haus betreten hatte, wurde er zuerst durch eine vortreffliche Mahlzeit erfreut und dann zum Bett geführt. Prokrustes sagte sodann immer folgende Worte: »Ich sehe, dass du länger als das Bett bist, Gast. Aber ich werde dir helfen.«

    Mit diesen Worten schnitt der Verbrecher dem überaus unglücklichen Gast einfach die Füße ab. Falls irgendein Gast aber mal kürzer als das Bett war, wurden seine Glieder von Prokrustes mit so großer Gewalt gestreckt, dass der arme Mensch zugrunde ging.

    Als Prokrustes den Theseus auf seiner Reise nach Athen bemerkte, versuchte er ebenfalls, den jungen Mann auf dieselbe Weise zu täuschen. Tatsächlich betrat der junge Mann zusammen mit Prokrustes auch das Haus und aß dort. Nach dem Essen führte der gewissenlose Mann alsdann den Theseus zum Bett und sagte: »Ich sehe, dass du länger als das Bett bist, Gast! Aber ich weiß, wie ich dich kürzer machen werde.«

    Als der junge Theseus sah, dass Prokrustes ein messerscharfes Schwert ergriff, tötete er den Verbrecher unverzüglich. Nachdem die Nachbarn vom Tod des Prokrustes gehört hatten, freuten sie sich sehr und dankten dem Theseus, weil er sich als sehr tapfer erwiesen hatte.

    An dieser großartigen Tat konnte damals bereits erkannt werden, dass sich jener junge Mann von Kindheit an immer um Tapferkeit bemühte.

    Theseus und Prokrustes – Griechische SageMythologie  - Sage

    Autor: Griechische Sage

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      Der Held Theseus wuchs bei seiner Mutter Aithra in Troizen auf. Erst als Jugendlicher hörte er, dass sein Vater Aigeus sei, der damals König von Athen war. Alsbald machte er sich auf den Weg dorthin, um seinen Vater kennenzulernen. Wie sein Vorbild Herkules brachte er während dieser Reise viele Räuber, Wegelagerer und Riesen zur Strecke.

      Ariadne auf Naxos - Griechische Sage

      Ariadne auf Naxos - Griechische Sage - Theseus und Bacchus
      Ariadne  

      Ariadne
      auf Naxos - Griechische Sage - Theseus und Bacchus

      Nachdem Theseus seinen Vater Aigeus in Athen getroffen hatte, musste er bald wieder weiter und ein neues Abenteuer bestehen: die Tötung des Minotaurus auf Kreta, bei dem ihn Ariadne mit einem roten Faden unterstützte.

      Alsdann schiffte er sich mit Ariadne wieder nach Athen ein, mit einem Zwischenaufenthalt auf der Insel Naxos. Doch als Ariadne am nächsten Morgen aufwachte, ist sie allein am Strand ...

      Heftig beunruhigt, irrte sie zunächst lange auf der Suche nach Theseus umher und stieg dann schließlich auf einen Berg, denn sie hoffte, von diesem Platz aus ein besseres Blickfeld zu haben.

      Tatsächlich erblickte sie weit draußen auf dem Meer das Schiff des Theseus. Da rief sie von größtem Hass entflammt: 

      »Oh du schlechtester Mann aller Zeiten, wilde Tiere besitzen größeres Mitleid als du. Wohin fliehst du, du Verbrecher? Kehre zu mir zurück! Mit einzigartiger Grausamkeit hast du mich auf einer Insel ausgesetzt, auf der weder Menschen noch menschliche Bildung zu Hause sind. Bis jetzt habe ich noch keine Menschen und auch kein Vieh gesehen. 

      Du hast mich arg getäusch, als du sagtest: 'Immer wirst du von mir geliebt werden, solange wir beide leben werden'. Bin ich denn etwa schon tot? Ich weiß nicht, ob es jetzt besser ist zu leben oder wirklich tot zu sein, denn mein künftiges Leben wird wohl sehr traurig sein. 

      Weder habe ich die Möglichkeit, in die Heimat zurückzukehren, noch die Fähigkeit, Athen aufzusuchen. Nachdem unsere Liebe ausgelöscht ist, fürchte ich den Tod nicht mehr. Aber was höre ich? Durch die kleinste Sache der Welt werde ich schon erschreckt. Wer weiß, ob diese Erde hier nicht  Löwen ernährt? Wer weiß, ob unzivilisierte Menschen mich vielleicht töten werden? 

      Falls ich tatsächlich auf dieser Insel sterben und in die Unterwelt hinab steigen werde, wird mich niemand vermissen, niemand wird mich beweinen. Du jedoch wirst bei deiner Rückkehr in die Heimat mit den größten Ehren aufgenommen werden. Alle werden Theseus wegen seiner großartigen Taten rühmen. Mit übergroßem Stolz wirst du vom Minotaurus und den Gefahren des Labyrinths erzählen, über mich aber wirst du nichts sagen. 

      Weder Aigeus noch Aithra sind deine Eltern, sondern harte Felsen haben dich zur Welt gebracht. Die Nachkommen jedoch werden nach Ablauf großer Zeiträume eine schlechte Meinung von dir haben! Wenn du nicht willst, dass dies geschehen wird, wende das Schiff! Siehst du denn nicht, wie ich demütig bittend die Hände ausstrecke? Höre also meine Bitten, du Grausamer!"

      Theseus hörte diese todunglücklichen Bitten nicht. Er selbst stand traurig auf seinem Schiff; nicht freiwillig, sondern auf Veranlassung des Bacchus hatte er Ariadne verlassen. Der Gott nämlich wollte die wunderschöne Ariadne für sich selber gewinnen und heiraten.

      Ariadne auf Naxos - Griechische Sage - Theseus und Bacchus

       

      Autor*in: Griechische Sage

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        Nachdem Theseus seinen Vater Aigeus in Athen getroffen hatte, musste er bald wieder weiter und ein neues Abenteuer bestehen: die Tötung des Minotaurus auf Kreta, bei dem ihn Ariadne mit einem roten Faden unterstützte.

        Der Riese Prokrustes und die Gerechtigkeit

        Der Riese Prokrustes und die Gerechtigkeit – Friedrich Dürrenmatt
        Der Riese Prokrustes und die Gerechtigkeit 

        Der Riese Prokrustes und die Gerechtigkeit – Friedrich Dürrenmatt


        Im Landstrich Korydallos lebten ebenso viele Riesen wie normal gewachsene Menschen, wobei es naturgemäß dazu kam, dass die großgewachsenen Menschen, die Riesen also, die kleineren Menschen unterjochten. Da Korydallos in der Nähe Attikas liegt, wehte aus Athen ein Hauch von Vernunft herüber und inspirierte den Riesen Polypemon, der ein besonders großer Riese, ein Gigant war, zum Nachdenken.

        Wochenlang lief er grübelnd in der Gegend herum, die Ungleichheit der Menschen beschäftigte ihn. Darauf nannte er sich Prokrustes, der Strecker, und baute zwei Betten, eines für die Riesen und eines für die Nicht-Riesen. In das Bett für Nicht-Riesen legte er die Riesen und hackte ihnen die Beine ab, so dass die Riesen ins Bett für Nicht-Riesen passten, und die Nicht-Riesen legte er in das Bett für Riesen und streckte sie, bis sie diesem Bett entsprachen.

        Pallas Athene, von deren Atem der Hauch der Vernunft bis Korydallos geweht war, fühlte sich verantwortlich und begab sich zu Prokrustes. Sie fragte ihn, was er da treibe. »Ich handle gemäß deiner Vernunft, Göttin«, antwortete der Gigant, »deren Anhauch mein Denken in Bewegung gesetzt hat.

        Ich begann, mir über die Ungleichheit der Menschen Gedanken zu machen. Sie ist ungerecht. Ich erkannte allmählich, dass die Gerechtigkeit verlangt, dass alle Menschen gleich sind. Das ist vernünftig. Nun gibt es in Korydallos Riesen und Nicht-Riesen, wobei die Riesen die Nicht-Riesen unterjochen. Die Menschen hier sind also in zweifacher Weise ungleich: in ihrem Wesen und in ihrem Tun. Das ist unvernünftig.

        Nun hätte ich die Riesen allein zu Nicht-Riesen machen können, indem ich ihnen die Beine abgeschlagen hätte, aber damit hätte ich wiederum ein neues Unrecht geschaffen: Krüppel-Nicht-Riesen und Nicht-Riesen, wobei nun diese die zu Krüppeln gewordenen Riesen unterjocht hätten. Auch unvernünftig. Gehe ich aber gegen die Nicht-Riesen vor, zerre ich sie zu Krüppel-Riesen auseinander, schaffe ich eine neue Ungleichheit: als Krüppel-Riesen sind sie ebenso den Riesen ausgeliefert, wie sie es als Nicht-Riesen waren. Wieder unvernünftig.

        Darum gibt es nur eine Möglichkeit für mich, die Gerechtigkeit, die Gleichheit aller Menschen herzustellen: Die Riesen haben das Recht, Nicht-Riesen, und die Nicht-Riesen das Recht, Riesen zu sein. Danach handle ich. Den Riesen hacke ich die Beine ab, sie werden so klein wie die Nicht-Riesen, die Nicht-Riesen strecke ich zur Größe der Riesen aus. Dass durch diese Operation – überleben sie sie – beide zu Krüppeln werden, macht beide gleich, und sterben sie infolge der Operation, sind sie einander auch gleich, macht doch der Tod alle gleich. Ist das nicht vernünftig?«

        Kopfschüttelnd kehrte Pallas Athene nach Athen zurück. Die Argumentation des Prokrustes hatte ihr die Sprache verschlagen. Es war das erste Mal, dass sie als Göttin eine ideologische Rede vernommen hatte, und sie fand keine Entgegnung. Prokrustes, durch das Schweigen der Göttin von der Richtigkeit seiner Deduktionen überzeugt, folterte weiter. Denen, die er folterte, erklärte er immer wieder, es geschehe im Namen der Gerechtigkeit: Der Riese habe nun einmal das Recht, ein Nicht-Riese zu sein und umgekehrt.

        Der Landstrich Korydallos wurde zur Hölle, erfüllt vom Schreien der Gemarterten, das in ganz Griechenland zu hören war. Die Götter hielten sich verlegen die Ohren zu. Sie fanden auf die Argumentation des Prokrustes auch keine Antwort. Besonders die Flüche waren grässlich zu hören. So stellten sie schließlich den Ton des Fernsehers ab – als Götter waren sie technisch den Menschen weit voraus -, um die Gebete und die Hilferufe, aber auch das Geschrei und die Flüche aus Korydallos nicht mehr zu hören; wobei sie freilich vom Rest der Erde auch nichts mehr hörten; aber was machte das schon, sie griffen ohnehin nicht mehr in die Geschichte ein.

        Und so verfluchten denn die Riesen und Nicht-Riesen den Prokrustes, während er sie folterte, und die Krüppel-Riesen und die Krüppel-Nicht-Riesen verfluchten ihn; ja sogar aus den Gräbern derer, welche die grausame Prozedur nicht überstanden hatten, ertönten Flüche. Weil aber Prokrustes, der sich als Wohltäter fühlte und überhaupt ein sensibler Gigant war, nicht begriff, warum er verflucht wurde, dachte er, es liege vielleicht an seiner Methode. Daher schaffte er für seine Betten besonders gute Matratzen an.

        Dann, als die Korydallier weiterheulten und fluchten, versuchte er, die Gefolterten auf eine andere Weise zu beschwichtigen, waren sie doch offenbar nicht von der göttlichen Vernunft erleuchtet wie er. So redete Prokrustes auf seine Opfer ein, es sei heldenhaft, in dem für sie bestimmten Bett zu leiden, sei es doch aus Hölzern gefertigt, die alle im Land wachsen würden – eine nicht minder irrationale, jetzt aber patriotische Begründung seiner Folterungen.

        Und wirklich, einige Riesen und einige Nicht-Riesen legten sich jetzt freiwillig hin. Überhaupt nahm das Fluchen mit der Zeit ab. Wie der Mensch für seine Taten Begründungen erfindet, erfindet er auch für seine Leiden Trost. Einige Krüppel-Riesen und Krüppel-Nicht-Riesen redeten sich ein, sie seien für eine bessere Zukunft gefoltert worden; wenigstens ihre Nachkommen würden nicht mehr gefoltert werden, weil die Riesinnen mit der Zeit durch die evolutionäre Anpassung Krüppel-Nicht-Riesen und die Nicht-Riesinnen Krüppel-Riesen gebären würden, so dass Prokrustes überhaupt nicht mehr zu foltern brauche.

        Andere freuten sich gar darauf zu sterben, da es, wie sie hofften, im Jenseits keine Folter mehr gebe. Die Irrationalität der Folterungen und ihrer Begründungen trieb die Gefolterten, um die Folter zu ertragen, ebenso ins Irrationale. Nur einige wenige der gefolterten Riesen und Nicht-Riesen beharrten darauf, das Folterbett und die Folter seien ein Unsinn. Diese hasste Prokrustes am meisten, war er doch empört darüber, dass sie nicht einsehen wollten, dass er nicht aus Lust folterte, sondern aus geschichtlicher Notwendigkeit.

        Er glaubte mit der Zeit, da er, um das Stöhnen und Schreien nicht mehr zu hören, sich immer neue Begründungen seiner Folterei ausgedacht hatte, die Geschichte könne nur einen Sinn haben, wenn sie fortschreite, und dieser Fortschritt bestehe darin, dass sie immer gerechter werde, und gerechter werde die Geschichte nur, wenn sie sich von der Ungleichheit der Menschen zu deren Gleichheit hin entwickle.

        Als aber der junge Theseus von Troizen nach Athen wanderte, um dort, als Sohn des Aigeus, König zu werden, weshalb er die Politik von einem praktikablen Gesichtspunkt aus neu überdachte, kam er auch nach Korydallos. Theseus hörte sich verwundert die Ideologie des Prokrustes an.

        »Du musst zugeben, dass ich vernünftig handle«, sagte Prokrustes stolz, »selbst Pallas Athene wusste mir nichts zu erwidern.« —

        »Du handelst ebenso unvernünftig wie Pityokamptes, der Tannenbieger, der die Wanderer zerreißt, indem er sie an die Spitzen zweier nieder gebogener Tannen bindet und diese dann zurückschnellen lässt«, antwortete Theseus. »Der einzige Unterschied zwischen Pityokamptes und dir besteht darin, dass jener sich nicht einbildet, er müsse im Namen der Gerechtigkeit die Menschen zerreißen. Er tut es aus reiner Lust an der Grausamkeit.«

        »Pityokamptes ist mein Sohn«, sagte Prokrustes nachdenklich. — »Ich habe ihn getötet«, gestand Theseus ruhig.

        »Du hast gerecht gehandelt«, meinte Prokrustes nach langem Nachdenken, »auch wenn Pityokamptes mein Sohn war. Aus reiner Lust an der Grausamkeit darf man nicht töten.«

        Doch als Prokrustes Theseus dankbar die Hand schütteln wollte, warf dieser den Giganten mit einer solchen Wucht auf das kleinere Bett, dass die Erde erzitterte. »Du Narr«, sagte er und hielt Prokrustes, der ihn mit großen Augen verwundert anstarrte, nieder. »Allzu wenig bist du vom Hauch der Vernunft gestreift worden. Die Menschen sind nicht gleich, gäbe es doch sonst keine Riesen und keine Nicht-Riesen, sondern nur Riesen oder nur Nicht-Riesen.

        Und weil die Menschen nicht gleich sind, die einen größer, die anderen kleiner, hat jeder Riese das Recht, ein Riese, und jeder Nicht-Riese das Recht, ein Nicht-Riese zu sein. Gleich sind beide nur vor dem Gesetz. Hättest du dieses Gesetz eingeführt und verhütet, dass die Riesen die Nicht-Riesen unterjocht hätten, oder, was auch der Fall hätte sein können, dass die Riesen von den Nicht-Riesen missbraucht worden wären, so hättest du deinen Korydalliern die unsinnige Folter erspart.«

        Und damit schlug Theseus dem Prokrustes zuerst die Beine und, weil dieser ja als Gigant ein besonders großer Riese war, auch den Kopf ab, der noch im Hinunterkugeln murmelte: »Ich bin doch nur gerecht gewesen.« Und dann sagte der Kopf noch, als er auf seinem Halsstummel zu stehen kam, bevor er seine großen Außen schloss: »Ich habe keinem Menschen jemals etwas zuleide getan.«

        Dann wanderte Theseus nach Athen weiter zu seinem Vater Aigeus. Leider war Theseus nicht nur ein Held, sondern auch vergesslich. So hatte er schon bei Prokrustes vergessen, dass er nicht nur dessen Sohn Pityokamptes getötet, sondern auch dessen Enkelin Perigune geschwängert hatte. Er vergaß einfach alles. Sein Taschentuch war voller Knoten, es nützte nichts.

        Als er von Kreta heimkehrte, vergaß er auf der Insel Naxos Ariadne, die ihn aus dem Labyrinth gerettet hatte, und dann vergaß er, das weiße Segel aufzuziehen, so dass sich sein Vater ins Meer stürzte, weil er glaubte, Theseus sein im Labyrinth vom Minotaurus getötet worden. Dann wurde Theseus König.

        Leider hatte er auch seine kluge Rede an Prokrustes vergessen: Nicht dass er ein besonders schlechter König gewesen wäre – er zählt in der Skala der Könige zu den eher besseren -, aber unter ihm waren dennoch nicht alle gleich vor dem Gesetz, sondern einige gleicher als andere.

        Dazu kam, dass Theseus auch als Ehemann vergesslich war: Seine Liebschaften, schreibt Robert von Ranke-Graves, brachten die Athener so häufig in Verlegenheit, dass sie erst Generationen nach seinem Tod seine wahre Bedeutung erkannten.

        Der Riese Prokrustes und die Gerechtigkeit - Novelle Friedrich Dürrenmatt 

        Autor*in: Friedrich Dürrenmatt

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          Im Landstrich Korydallos lebten ebenso viele Riesen wie normal gewachsene Menschen, wobei es naturgemäß dazu kam, dass die großgewachsenen Menschen, die Riesen also, die kleineren Menschen unterjochten. Da Korydallos in der Nähe Attikas liegt, wehte aus Athen ein Hauch von Vernunft herüber und inspirierte den Riesen Polypemon, der ein besonders großer Riese, ein Gigant war, zum Nachdenken.