Grundsatzentscheidung :
Verstößt die Vorratsdatenspeicherung gegen Grundrechte?

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Die Richter des Bundesverwaltungsgericht entscheiden am Mittwoch, ob die Speicherpflicht für Internetprovider und Telefonanbieter gegen EU-Recht verstößt. Es wird ein wegweisendes Urteil erwartet. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Am Bundesverwaltungsgericht wird am Mittwoch ein Grundsatzurteil zur umstrittenen Vorratsdatenspeicherung erwartet. Die Leipziger Richter verhandeln ab 10.00 Uhr über die Revisionen gegen zwei Urteile des Verwaltungsgerichts Köln. Dieses hatte entschieden, dass die Speicherpflicht gegen Unionsrecht verstoße und die Kläger – einen Internetprovider und einen Telefonanbieter – von der Pflicht zur Datenspeicherung befreit. Wird das so bestätigt, könnte es das Aus für die Datensammelei bedeuten. Mit einem Urteil wird noch im Laufe des Tages gerechnet. (BVerwG 6 C 12.18 und 6 C 13.18)

Unter Vorratsdatenspeicherung versteht man die flächendeckende, anlasslose Erfassung von Telefon- und Internetdaten der Nutzer. Sie wurde als Reaktion auf Terroranschläge eingeführt. Das Telekommunikationsgesetz (TKG) aus dem Jahr 2015 verpflichtet Internetprovider und Telefonanbieter zum Erfassen der Daten, zum Beispiel IP-Adressen und Rufnummern. Die Sammlung soll den Ermittlungsbehörden auch helfen, schwere Verbrechen aufzuklären. Allerdings hatte die Datenspeicherung schon mehrfach vor Gerichten keinen Bestand. 2016 entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass eine Vorratsdatenspeicherung in diesem Ausmaß gegen Grundrechte verstößt und unzulässig ist.

Was sagen die Befürworter und was die Gegner der Datenspeicherung?

Sicherheitspolitiker und Polizeibehörden fordern immer wieder die Speicherung von Verbindungsdaten, um etwa Terroranschläge verhindern oder Kinderpornografie bekämpfen zu können. Kritiker halten die massiven Grundrechtseingriffe dagegen und bezweifeln den Nutzen. „Wir sind überzeugt, dass wir damit nicht ein Mehr an Sicherheit erreichen würden“, sagt Oliver Süme, Vorstand des Verbandes der deutschen Internetwirtschaft (eco). Es gebe mildere Mittel – etwa in konkreten Verdachtsfällen die Daten sichern zu lassen.

Werden derzeit massenhaft Daten gespeichert?

Die Bundesnetzagentur hat die Speicherpflicht für alle ausgesetzt, nachdem das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster 2017 in einem richtungsweisenden Beschluss entschieden hatte, dass der Münchner Internetprovider SpaceNet nicht zur Vorratsdatenspeicherung verpflichtet werden darf. Das OVG sah einen Verstoß gegen europäische Datenschutzrichtlinien. Die Bundesnetzagentur warte auf eine endgültige, rechtskräftige Entscheidung, teilte ein Sprecher mit.

Worum geht es beim Bundesverwaltungsgericht?

Das Bundesverwaltungsgericht könnte eine solche höchstrichterliche Entscheidung treffen. Die Leipziger Richter haben zwei Klagen auf dem Tisch, eine vom Internetprovider SpaceNet und eine von der Telekom. Beide hatten gegen die Speicherpflicht geklagt und vor dem Verwaltungsgericht (VG) Köln gewonnen. Das Gericht stufte die Vorratsdatenspeicherung wegen Verstößen gegen EU-Recht als unzulässig und unanwendbar ein. Die Bundesnetzagentur legte dagegen Sprungrevision ein - über die jetzt in Leipzig verhandelt wird.

Was könnte das Gericht entscheiden?

Es gibt mehrere Möglichkeiten: Wenn das Gericht SpaceNet und Telekom Recht gibt, dann wäre „die Vorratsdatenspeicherung praktisch tot“, sagte SpaceNet-Anwalt Matthias Bäcker. Streng genommen würde das Urteil zwar nur für die beiden Unternehmen gelten, dürfte aber grundsätzliche Auswirkungen haben. Falls das Gericht noch offene rechtliche Fragen sieht, könnte es den Fall auch dem EuGH vorlegen. Das Bundesverwaltungsgericht könnte die Vorratsdatenspeicherung auch als rechtmäßig einstufen. In dem Fall wolle man Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe einlegen, sagte Bäcker.

Sind noch andere Gerichtsentscheidungen zu erwarten?

Vor dem Bundesverfassungsgericht hat ein Bündnis aus Bürgerrechtlern, Datenschützern und Politikern Verfassungsbeschwerde erhoben. Es ist offen, ob Karlsruhe darüber noch in diesem Jahr entscheiden wird. Eine Vorgänger-Regelung zum jetzigen Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung hatte Karlsruhe im Jahr 2010 gekippt.