Kommentar zu unvollständigen Zahlen: Corona-Politik im Blindflug!

RKI-Chef Lothar Wieler (li.), Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und Bundeskanzlerin Angela Merkel

RKI-Chef Lothar Wieler (li.), Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und Bundeskanzlerin Angela Merkel

Foto: imago images/photothek
Von: Julius Böhm

Maßnahmen ergreifen, zwei Wochen abwarten bis eine Wirkung erkennbar ist, nachschärfen –so funktionierte die Corona-Politik bislang.

Doch seit Wochen regiert die Bundesregierung im Blindflug!

Bereits am 5. Januar verlängerten und verschärften Kanzlerin Merkel und die Länder-Chefs die Maßnahmen, obwohl die täglich gemeldeten Infektionszahlen wegen der Weihnachtsfeiertage komplett unbrauchbar waren. Es war völlig unklar, ob der Lockdown Wirkung zeigte, wie viele Menschen in Deutschland sich wirklich infizierten.

Der 17. Januar – also der gestrige Sonntag – sollte der Tag sein, an dem Deutschland wieder eine „klare Datenlage über die wirkliche Inzidenz in Deutschland“ hat. So jedenfalls hatte Merkel den Chef des Robert-Koch-Instituts (RKI) Lothar Wieler (59) zitiert.

Doch auch heute, zwei Wochen nach dem Gipfel, fast vier Wochen nach Weihnachten und einen Tag vor dem entscheidenden Lockdown-Gipfel, schaut Deutschland auf falsche Corona-Zahlen. Die gemeldeten 7141 Neuinfektionen – unvollständig und zu niedrig.

Einen Tag, bevor das Bundeskanzleramt eine Verlängerung und Vertiefung der Corona-Maßnahmen durchsetzen will, weiß weder die Bundesregierung noch die Bevölkerung, wie es um die Pandemie in Deutschland wirklich steht.

Und das bittere ist: Dieses Zahlen-Chaos ist hausgemacht!

► In der größten Krise seit dem Ende des Zweiten Weltkrieg schlossen die Gesundheitsämter oder arbeiteten in Not-Besetzung. Die Zahl der Tests brach von 330 000 am Tag auf 205 000 ein. Das sorgt dafür, dass in Deutschland auch Wochen danach selbst die rudimentärste aller Corona-Kennzahlen unbrauchbar ist: die der Neuinfizierten pro 100 000 Einwohnern in sieben Tagen (7-Tage-Inzidenz).

Factsheet: Corona in Zahlen - Infografik

Apropos Inzidenz: Seit Mai ist die 7-Tage-Inzidenz von 50 der Zielwert der Bundesregierung. Es heißt, dass die Gesundheitsämter nur bis zu dieser Obergrenze die Kontakte von Corona-Infizierten nachverfolgen und das Infektionsgeschehen so unter Kontrolle halten könnten.

Doch seit Mai ist offenbar nichts passiert, um die Obergrenze nach oben anzupassen und sicherzustellen, dass die Gesundheitsämter auch mit Inzidenzen von 80 oder 100 klarkommen, mehr Kontakte nachverfolgen können und Deutschland nicht in den Lockdown muss.

Zumal die Inzidenz nur die Zahl der ENTDECKTEN Corona-Fälle zeigt. Und hier gilt: Wer mehr testet, findet auch mehr Fälle.

Und das machen andere Staaten auch: Spanien und Frankreich testen – pro Einwohner gerechnet – deutlich mehr als Deutschland. Großbritannien und die USA sogar doppelt so viel wie Deutschland, die Dänen viermal so viel.

Die Bundesregierung hält dennoch stur an der 50er-Inzidenz fest – obwohl sie politisch gegriffen, leicht zu verfälschen und wegen des ständigen Meldeverzugs ohne vollständige Aussagekraft ist.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.