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GEMEINSCHAFTSSCHULE Der Teufel in St. Anna

aus DER SPIEGEL 37/1961

Die Anhänger der christlichen Gemeinschaftsschule sind Handlanger des Teufels. Diese Behauptung stellte ein Beamter Nordrhein-Westfalens auf: der Geistliche Studienrat Dr. Bernhard Bendfeld vom staatlichen Hittorf-Gymnasium in Münster. Und ein anderer Landesbeamter, der Leitende Oberstaatsanwalt Dr. Sommer vom Landgericht Münster, hält die Definition des Studienrats für »ein angemessenes Mittel zur Erreichung des (von Bendfeld) angestrebten Zwecks«.

Wie der Oberstaatsanwalt eruierte, wurde der Geistliche Studienrat Bendfeld »im Jahre 1960 von der bischöflichen Behörde in Münster beauftragt, sich um die Erhaltung der katholischen Volksschule in der Gemeinde Tungerloh-Hochmoor zu bemühen«. Als Sohn des Hochmoors, das sich im Westen der Bischofsstadt ausbreitet, schien Bendfeld besonders geeignet, die katholischen Bauern seiner Heimat auf den Pfad der römischen Kirche zurückzuführen.

Die Tungerloher Landwirte hatten nämlich gemeinsam mit den protestantischen Flüchtlingen, die sich nach dem Kriege im Hochmoor angesiedelt haben, beschlossen, die nur zweiklassige katholische Bekenntnisschule in eine vierklassige christliche Gemeinschaftsschule umzuwandeln. Bei der Abstimmung über die neue Schulform wurde die nach dem Schulgesetz erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit erreicht.

Am ersten Adventssonntag 1960 begehrte der bischöfliche Beauftragte und Geistliche Studienrat Bendfeld gegen diesen Beschluß auf: In einem Rundschreiben an seine »lieben katholischen Landsleute« stempelte er die Anhänger der Gemeinschaftsschule als »ehemalige Kommunisten und Nazis« ab, die ihre »Mischmaschschule« durchsetzen wollten.

Bendfeld: »Der Teufel muß in St. Anna (der katholischen Kirchengemeinde in Tungerloh-Hochmoor) seine erste Schlacht verlieren.« Und: »Wenn Ihr wollt, daß das Kreuz in der Schule bleibt... dann meldet kein Kind für die Gemeinschaftsschule an.«

Der Geistliche Studienrat bedrohte seine Landsleute überdies mit der Exkommunikation und sogar mit dem Tod: »Oft läßt Gott einen dieser Glaubensleugner kurz danach sterben.«

Bendfelds Pamphlet wurde bald darauf im Düsseldorfer Landtag verlesen. Empörte sich die FDP-Abgeordnete Liselotte Funcke: »Dieser Studienrat hat das Recht, Geschichts- und Staatsbürgerunterricht zu geben! Es geht nicht an, daß der Unterricht in die Hände solcher Leute gelegt wird.«

Der evangelische CDU-Kultusminister Werner Schütz zeigte sich ebenfalls entrüstet: »Ich mißbillige dieses Flugblatt nach Form und Inhalt auf das nachdrücklichste.«

Zu einem Disziplinarverfahren gegen den Landesbeamten Bendfeld mochte der Minister sich freilich nicht verstehen, obwohl die von Bendfeld als Teufelswerk beschimpfte Gemeinschaftsschule durch die Landesverfassung garantiert wird*.

Der Minister tröstete statt dessen den Tungerloher Kleinlandwirt und Rentner Ernst Beck, der sich als Anhänger der Gemeinschaftsschule bei Schütz über die Diffamierung beschwert hatte: Er, der Minister, habe den Geistlichen Studienrat darauf hinweisen lassen, »daß er bei seinem weiteren Auftreten in der Öffentlichkeit die für den Beamten als Diener des ganzen Volkes gebotene Mäßigung und Zurückhaltung wahren muß«.

Rentner Beck aber hatte den Geistlichen Studienrat inzwischen bei der Staatsanwaltschaft Münster wegen Beleidigung und übler Nachrede angezeigt: Er fühlte sich durch Bendfelds Pamphlet als Teufel angesprochen.

Münsters Leitender Oberstaatsanwalt Dr. Sommer stellte jedoch das Verfahren ein und belehrte den Antragsteller: »Mit dem 'Teufel' sind nicht einzelne bestimmte Personen, die für die Gemeinschaftsschule eintreten, gemeint, sondern allgemein die Richtung, die den Gedanken der Gemeinschaftsschule verficht.« Mithin: »Eine Beleidigung und üble Nachrede ist in diesem Rundschreiben nicht zu erblicken.«

Beck hat gegen den Bescheid Sommers beim Generalstaatsanwalt in Hamm Beschwerde eingelegt.

* Artikel 12 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen: »Die Volksschulen sind Bekenntnisschulen, Gemeinschaftsschulen oder Weltanschauungsschulen... In Gemeinschaftsschulen werden Kinder verschiedener Religionsangehörigkeit auf der Grundlage christlicher Bildungs- und Kulturwerte erzogen und unterrichtet... Die Wahl der Schulart steht dem Erziehungsberechtigten zu.«

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