BILD zeigte seine Fotos vom Grauen in Syrien: Fotograf stirbt durch russischen Luftangriff

Vor wenigen Wochen sagte Anas al-Dyab: Er werde „nicht aufhören, bis ich alle Verbrechen dokumentiert habe. Und wenn es das Letzte ist, was ich tue“

Das Foto der in den Trümmern ihres Kinderzimmers eingeklemmten Hasna (6) in Syrien ging im März um die Welt. Nun tötete Russland bei einem Luftangriff den Fotografen, der die Aufnahme machte

Das Foto der in den Trümmern ihres Kinderzimmers eingeklemmten Hasna (6) in Syrien ging im März um die Welt. Nun tötete Russland bei einem Luftangriff den Fotografen, der die Aufnahme machte

Foto: AFP, OMAR HAJ KADOUR / AFP
Von: Mohammad Rabie und Julian Röpcke

„Seht ihr in die Augen!“ titelte BILD am 5. März und zeigte das Foto der kleinen Hasna, die nach einem Angriff der russisch-syrischen Luftwaffe eingeklemmt in den Trümmern ihres Kinderzimmers kauerte.

Fotograf der Aufnahme: Anas al-Dyab, der auch für die syrischen Weißhelme-Retter arbeitete. Er dokumentierte das Grauen des syrischen Bürgerkriegs unter anderem für die französische Nachrichtenagentur AFP, für die er als freier Fotograf arbeitete.

Am Sonntag wurde al-Dyab selbst Opfer der massiven Luftangriffe, denen die syrischen Regionen Hama und Idlib seit Monaten ausgeliefert sind. Geflogen werden die Attacken von den Luftwaffe von Wladimir Putin (66) und Baschar al-Assad (53).

Die Nachrichtenagentur AFP bestätigte am Montag: Ein russischer Luftangriff tötete al-Dyab. Er war gerade dabei, die Zerstörung durch frühere Luftschläge in seiner Heimatstadt Chan Scheichun zu dokumentieren.Noch am selben Tag wurde er in einer großen Zeremonie im Kreise seiner Verwandten und Kollegen bei den Rettern der Weißhelme beerdigt.

In der Stadt Idlib wurde Anas al-Dyab am Sonntag beerdigt. In seiner Heimatstadt war dies unmöglich, da die Angriffe Assads und Putins zu heftig waren

In der Stadt Idlib wurde Anas al-Dyab am Sonntag beerdigt. In seiner Heimatstadt war eine Beisetzung unmöglich, da die Angriffe Assads und Putins zu heftig waren

Foto: OMAR HAJ KADOUR / AFP

Am Montag sprach BILD mit Abdulmaged al-Dyab (50), dem Vater des Getöteten.

Er sagt: „Mein Sohn Anas war wie Tausende von jungen Menschen, die in Syrien für ihre Freiheit demonstriert haben. Als das Regime dies mit brutaler Gewalt versuchte zu beenden, nahm Anas seinen Helm und seine Kamera und begann, die Verbrechen Assads und Putins zu dokumentieren. Er war ein Augenzeuge des Giftgasangriffs auf Chan Scheichun und hat es ebenso dokumentiert. Er wurde er mehrfach verletzt, aber trotzdem machte er weiter!“

Abdulmaged Dyab (Mitte) auf der Beerdigung seines Sohnes

Abdulmaged Dyab (Mitte) bei der Beerdigung seines Sohnes

Foto: AAREF WATAD / AFP

Trotz des Verlusts seines Sohnes gibt sich Abdulmaged al-Dyab gegenüber BILD entschlossen: Die Syrer würden „das Werk meines Sohnes weiterführen“. Nur so könne „die Seele von Anas in Frieden ruhen“.

Russland „zerstört unsere Städte vor den Augen der Welt“

Auch Hamid Kutni, Kollege und Freund des ermordeten Journalisten und Retters Anas al-Dyab, ist schockiert vom Tod seines Mitstreiters. Gegenüber BILD klagte er an: „Die hinterhältige russische Luftwaffe hat mir meinen Weggefährten und Bruder im Geiste genommen. Wir haben Tage und Nächte zusammen verbracht, um das Leid der Menschen in unserem Heimatland zu dokumentieren.“

Der syrische Medienaktivist Anas al-Dyab (links) starb am Sonntag bei einem russischen Luftangriff. Sein Freund und Kollege Hamid Kutni (rechts) klagt nun die Tatenlosigkeit der Welt an.

Der syrische Medienaktivist Anas al-Dyab (l.) starb am Sonntag bei einem russischen Luftangriff. Sein Freund und Kollege Hamid Kutni (r.) klagt nun die Tatenlosigkeit der Welt an

Foto: Hamid Kutni

Er werde Anas sein Leben lang vermissen, so Kutni. Dann wird er politisch: Russland „zerstört unsere Städte vor den Augen der Welt“, so Kutnis Anklage. Trotzdem wolle „niemand Putin stoppen“. Dafür habe er kein Verständnis.

Anas al-Dyab war auch mit BILD regelmäßig in Verbindung, um als freier Fotograf Fotos und Augenzeugenberichte der Luftangriffe zu übermitteln.

Vor einigen Wochen sagte der Getötete noch zu BILD-Journalist Mohammad Rabie: Er werde mit seiner Arbeit „nicht aufhören, bis ich alle Verbrechen dokumentiert habe. Und wenn es das Letzte ist, was ich tue“.

Dutzende Tote bei den Luftangriffen

Mit massiven und verheerenden Luftangriffen überziehen die russische und syrische Luftwaffe seit Monaten die Städte in den Provinzen Hama und Idlib.

Beim Angriff auf einen Marktplatz und ein Wohngebiet in der Stadt Maarat al-Numaan kamen am Montag nach Angaben lokaler Hilfskräfte 32 Menschen ums Leben, weitere 100 wurden verletzt. Der Angriff ereignete sich am frühen Morgen und wurde entweder von der syrischen oder der russischen Luftwaffe ausgeführt.

Unter den Opfern von Maarat al-Numaan sind dutzende Kinder, wie Bilder und Video zeigen

Unter den Opfern von Maarat al-Numaan sind Dutzende Kinder, wie Bilder und Video belegen

Foto: ABDULAZIZ KETAZ / AFP

Maarat al-Numann liegt über 20 Kilometer von der Front entfernt. In der Stadt leben nicht nur 50 000 reguläre Einwohner, sondern auch 60 000 zuvor von Assad Vertriebene. Die Stadt galt bis vor wenigen Monaten als relativ sicher, weshalb sich viele Flüchtling hier niederließen.

Doch seit April wird sie fast täglich bombardiert mit dem Ziel, die verbleibenden Menschen zu vertreiben. 330 000 Menschen aus der Region im Norden Syriens sind durch diese gezielten Strategie der Vertreibung seit April in Richtung der türkischen Grenze geflüchtet, wie die Vereinten Nationen bestätigten.

Ein Helfer deckt nach den Luftangriffen ein getötetes Mädchen zu. Unter den Opfern vom Montag sind wieder zahlreiche Kinder

Ein Helfer deckt nach den Luftangriffen ein getötetes Mädchen zu. Unter den Opfern vom Montag sind wieder zahlreiche Kinder

Foto: ABDULAZIZ KETAZ / AFP

Bereits am Vortag kamen neben Anas al-Dyab 20 weitere Zivilisten bei vergleichbaren Angriffen ums Leben. 57 weitere wurden verletzt, wie die syrischen Weißhelm-Retter mitteilten.

BILD fragte das Auswärtige Amt in Berlin zum Angriff auf den 22-jährigen Fotografen und Weißhelm-Helfer an. Dazu hieß es, dass die „Bundesregierung die Angriffe gegen medizinische Einrichtungen und zivile Ersthelfer (im Rahmen der Vereinten Nationen, Anmerkung der Redaktion) wiederholt thematisiert“ habe und „schwere Völkerrechtsverletzungen geahndet werden müssen“.

BILD fragte auch, wie die Bundesregierung Russland davon abbringen wolle, weiterhin zivile Ziele in Idlib anzugreifen. Dazu hieß es aus dem Auswärtigen Amt: „Die Bundesregierung setzt sich mit Nachdruck in den Vereinten Nationen, aber auch im bilateralen Rahmen für eine politische Lösung des Syrienkonflikts ein. Die Situation im Nordwesten Syriens war auch Teil des Gesprächs von Außenminister Maas und dem russischen Außenminister Lawrow vergangene Woche in Bonn.“

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