US-Präsident Joe Biden hat Israel vor einer erneuten Besetzung des Gazastreifens gewarnt. "Ich denke, das wäre ein großer Fehler", sagte Biden in einem Interview der CBS-Sendung 60 Minutes.

Die im Gazastreifen herrschende Hamas repräsentiere "nicht das gesamte palästinensische Volk", argumentierte er. Daher müsse es eine palästinensische Behörde und einen Weg zu einem palästinensischen Staat geben, sagte Biden in dem CBS-Interview. Doch eine Zweistaatenlösung könne erst nach "Ausschaltung der Extremisten" gelingen, sagte er; dafür sei eine Invasion des Küstenstreifens nötig.

Biden: Zweistaatenlösung nur ohne Hamas

38 Jahre lang, seit dem Sechstagekrieg von 1967, stand der Gazastreifen unter israelischer Besatzung. 2005 zog sich Israel zurück und löste die dortigen jüdischen Siedlungen auf, im Jahr darauf gewann die Hamas die Wahl in den palästinensischen Gebieten.

Die im Gazastreifen regierende Hamas, die von den USA, der EU und Israel als Terrororganisation eingestuft wird, hatte am 7. Oktober Israel angegriffen und mehr als 1.400 Menschen getötet. Die Gruppe verschleppte außerdem mehr als 150 Menschen in den Gazastreifen. Seither fliegt Israel Luftangriffe auf Ziele in dem Küstengebiet. Laut dem Gesundheitsministerium im Gazastreifen wurden dabei bisher mindestens 2.670 Palästinenser getötet, die meisten von ihnen Zivilisten. 

Am vergangenen Freitag hatte Israels Militär etwa eine Million Zivilisten im Norden des Gazastreifens aufgefordert, in den Süden des abgeriegelten Gebiets zu fliehen. Es wird eine baldige Bodenoffensive israelischer Truppen gegen die Hamas im Gazastreifen erwartet. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat das Ziel ausgegeben, die islamistische Gruppe zu zerschlagen. Hilfsorganisationen warnen vor einer humanitären Katastrophe. Sie befürchten eine Eskalation der Kampfhandlungen und verweisen darauf, dass die Hamas-Mitglieder sich auch in einem von der Zivilbevölkerung bewohnten Gebiet aufhalten.

Biden zeigte sich in dem CBS-Interview zuversichtlich, dass Israel im Einklang mit "Regeln des Krieges" vorgehen werde. "Es gibt Standards, an die sich demokratische Institutionen und Länder halten", sagte er. Er sei sich sicher, dass den Unschuldigen im Gazastreifen der Zugang zu Medizin, Nahrungsmitteln und Wasser ermöglicht werde. Die US-Regierung betraute David Satterfield, einen Ex-Botschafter im Libanon und in der Türkei, mit der Leitung der US-Bemühungen, "schutzbedürftigen Menschen im Nahen Osten" humanitäre Hilfe zukommen zu lassen. Der Diplomat wird an diesem Montag in Israel erwartet.

Biden erwägt offenbar Reise nach Israel

Laut einem ranghohen US-Regierungsmitglied erwägt Biden eine Reise nach Israel. Das wäre aus Sicht von Beobachtern für den Präsidenten eine Chance, nach den Großattacken der Hamas vor Ort die Solidarität der USA mit dem israelischen Volk zu bekräftigen. Allerdings könnte etwa der Iran, der wichtigste Unterstützer der Hamas, Bidens Besuch als Provokation auffassen. Das iranische Regime droht im Fall einer Bodenoffensive mit einer Ausweitung des Konflikts.

Vergangene Woche war US-Außenminister Antony Blinken nach Israel und in mehrere arabische Länder gereist. Bei seinem Besuch in Kairo äußerte Ägyptens Staatschef Abdel Fattah al-Sisi Kritik am militärischen Vorgehen Israels. Die israelische Reaktion gehe über das Recht auf Selbstverteidigung hinaus und sei in "eine kollektive Bestrafung" ausgeartet, sagte al-Sissi laut ägyptischen Staatsmedien. 

Blinken sagte vor seiner Abreise, dass Israel "das Recht, ja die Pflicht hat, sich gegen die Attacken der Hamas zu verteidigen und zu versuchen, alles Mögliche zu tun, um sicherzustellen, dass das nie wieder passiert". Die Art und Weise, wie Israel dies tue, zähle aber, ergänzte der US-Außenminister. "Es muss es auf eine Weise tun, die gemeinsame Werte bejaht, die wir mit Blick auf menschliches Leben und menschliche Würde haben; und es müssen alle möglichen Vorkehrungen getroffen werden, um die Schädigung von Zivilisten zu vermeiden."

Am Sonntag kam Blinken in Riad mit dem saudischen Kronprinzen und De-facto-Herrscher Mohammed bin Salman zusammen. Zuvor hatte sich der US-Chefdiplomat mit Verantwortlichen in den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain, Katar, Jordanien und der Palästinensischen Autonomiebehörde beraten. An diesem Montag wollte Blinken nach Israel zurückkehren.