Aktuell 12. Dezember 2016

Arbeitsmigranten weiterhin nicht vor Ausbeutung geschützt

Katar: Arbeitsmigranten weiterhin nicht vor Ausbeutung geschützt

Arbeitsmigranten in Katars Hauptstadt Doha

12. Dezember 2016 - Arbeitskräfte in Katar werden weiterhin ausgebeutet. So kann Arbeitsmigrantinnen und -migranten nach wie vor die Ausreise verweigert werden. Der Weltfußballverband FIFA muss jetzt handfeste Reformen anstoßen.

In dem neuen Amnesty-Kurzbericht "New name, old system? Qatar’s new employment law and abuse of migrant workers" wird aufgezeigt, wie unzureichend die arbeitsrechtlichen Reformen sind, mit denen laut katarischer Regierung das Sponsorensystem des Landes generalüberholt werden soll.

Der Bericht warnt davor, dass den Arbeitsmigrantinnen und -mirganten in Katar nach wie vor Zwangsarbeit und andere Menschenrechtsverstöße drohen. Dies gilt auch für Arbeiterinnen und Arbeiter, die an Stadien, Transportinfrastruktur und anderen Einrichtungen wie z. B. Hotels für die Fußballweltmeisterschaft 2022 arbeiten.

"Es ist zwar positiv, dass Katar das Problem erkannt hat und auf die Forderung reagiert, das kritisierte 'Sponsoren'-Prinzip abzuschaffen," sagt René Wildangel, Amnesty-Experte für den Nahen und Mittleren Osten. "Das neue Gesetz bietet aber kaum konkrete Verbesserungen und keinen ausreichenden Schutz. Arbeitsmigrantinnen und -migranten in Katar sind weiterhin von Ausbeutung und Zwangsarbeit bedroht."

Kein wirksamer Schutz gegen Ausbeutung

Im März 2017 wird die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) entscheiden, inwieweit die Bemühungen Katars zur Verhinderung von Zwangsarbeit ausreichend sind. Der Amnesty-Bericht warnt, dass das neue Gesetz (Law No. 21 on the Entry, Exit and Residency of Foreign Nationals), welches am 13. Dezember 2016 in Kraft tritt, keine wesentlichen Auswirkungen auf die ausbeuterische Beziehung zwischen Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern haben wird.

Dieses neue Gesetz ersetzt das berüchtigte Sponsorengesetz von 2009, das derzeit erheblich zur Ausbeutung von Arbeitsmigrantinnen und -migranten beiträgt. Es beinhaltet jedoch drei Bestimmungen, die dafür sorgen, dass Arbeiterinnen und Arbeiter nach wie vor von Ausbeutung und gegebenenfalls auch von Zwangsarbeit bedroht sind:

  • Die Arbeiterinnen und Arbeiter brauchen weiterhin die Erlaubnis der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, um die Arbeitsstelle zu wechseln. Wenn sie ohne eine solche Erlaubnis innerhalb ihrer Vertragszeit – die bis zu fünf Jahre dauern kann – die Arbeitsstelle wechseln, droht ihnen eine Strafanzeige wegen "unerlaubter Abwesenheit".

  • Arbeitsmigrantinnen und –migranten benötigen nach wie vor eine offizielle Erlaubnis zum Verlassen des Landes, die von ihrem Arbeitgeber verweigert werden kann. Rechtsmittel gegen eine verweigerte Ausreisegenehmigung sollen künftig von einem Regierungsausschuss geprüft werden.

  • Bisher galt es als gesetzwidrig, wenn Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber die Reisepässe ihrer Arbeiterinnen und Arbeiter einbehielten. Dank einer neuen, leicht ausnutzbaren Gesetzeslücke ist diese Praxis nun jedoch vollkommen legal.

Hinzu kommt, dass das neue Gesetz nicht zur Verbesserung der Lage von Tausenden Hausangestellten aus dem Ausland beiträgt, die in Katar derzeit keinen Anspruch auf Arbeitsschutz haben.

Amnesty International fordert Katar auf, sein Arbeitsrecht systematisch zu reformieren: Die Ausreisegenehmigungen müssen unmissverständlich abgeschafft werden, der Einzug von Reisepässen muss verboten werden und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen das Recht haben, ohne Einverständnis ihrer Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber die Anstellung zu wechseln.

FIFA und Fußballsport in der Pflicht

Die Bauarbeiten für die Fußballweltmeisterschaft werden hauptsächlich über die nächsten beiden Jahre stattfinden. Geplant sind mindestens acht Stadien sowie zahlreiche Hotels, Transportnetzwerke und andere Infrastruktureinrichtungen.

Ein am 30. März 2016 erschienener Amnesty-Bericht zeigte auf, dass mehr als 230 von Amnesty interviewte Arbeiterinnen und Arbeiter, die am Khalifa-Stadion und im Sport- und Leistungszentrum am Stadion mitarbeiteten, von Ausbeutung betroffen und in manchen Fällen auch Zwangsarbeit ausgesetzt waren.

Im Oktober stellte FIFA-Präsident Gianni Infantino den Aktionsplan "FIFA 2.0: Vision für die Zukunft" vor. Darin ist die Selbstverpflichtung des Weltfußballverbands enthalten, sich für die Einhaltung der Menschenrechte im selben Maße stark zu machen wie für seine wirtschaftlichen Interessen.

"Jetzt müssen der Weltfußballverband FIFA und seine Sponsoren sowie Vereinsmannschaften und Firmen, die sich in Katar beteiligen, entsprechend deutlich gegen Menschenrechtsverletzungen einschreiten und notwendige strukturelle Verbesserungen anstoßen", sagt die Sprecherin der für Katar zuständigen Amnesty-Koordinationsgruppe Regina Spöttl. "Die Gesetzesreform bedeutet keinen entscheidenden Fortschritt hin zum Ende der Ausbeutung von Arbeitsmigrantinnen und Arbeitsmigranten in Katar."

Die katarischen Behörden sind aufgefordert bei den Vorbereitungen auf die Weltmeisterschaft im Jahr 2022 entschlossen gegen eindeutig dokumentierte Menschenrechtsverletzungen vorzugehen und wirksame Reformen auf den Weg zu bringen.

Hier können Sie den Bericht "New name, old system? Qatar’s new employment law and abuse of migrant workers" auf Englisch als PDF-Datei herunterladen

Hier finden Sie weitere Informationen zum am 30. März 2016 erschienenen Bericht "The Ugly Side of the Beautiful Game - Exploitation on a Qatar 2022 World Cup site"

Hier können Sie den Bericht "The Ugly Side of the Beautiful Game - Exploitation on a Qatar 2022 World Cup site" auf Englisch als PDF-Datei herunterladen

Hier können Sie den Aktionsplan "FIFA 2.0: Version für die Zukunft" auf Englisch als PDF-Datei herunterladen

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