LIMBURG.- An Demenz erkrankte Personen nicht entwerten, sondern sie trotz ihrer kognitiven Beeinträchtigung als Person sehen, die noch vieles kann: Das hat die Kölner Demenz-Expertin Barbara Klee-Reiter etwa 80 Fachkräften aus der Pflege mit auf den Weg gegeben. "Es geht in der Pflege darum, das ,Person sein‘ zu erhalten. Wenn eine Person mit Demenz das Gefühl hat, als Person gesehen zu werden, dann fühlt sie sich auch wohl. Und viele Menschen mit Wohlbefinden deutet auf eine hohe Pflegequalität hin", sagte Klee-Reiter beim Pflegefachtag des Caritasverbandes für die Diözese Limburg e.V am Dienstag, 6. Februar 2024, im Limburger Priesterseminar. Bei der Pflege von Demenzkranken gehe es darum, genau auf die betroffene Person zu schauen und aus der professionellen Haltung eines Suchenden herauszufinden, was Betroffene gerade brauchen. "Wir müssen zugeben, dass wir nicht wissen, warum eine Person gerade laut ,Hallo‘ ruft oder warum sie unbedingt nach Hause will. Schauen sie auf die Leute und nicht auf die Einhaltung von Standards oder Konventionen", riet Klee-Reiter. Das könne auch bedeuten, Demenzbetroffene in einem bestimmten Rahmen gewähren zu lassen, damit sie sich wohlfühlen können.
Liebevolle Momente über den Tag schaffen
Mit einer Selbsterfahrungsübung nach dem von Klee-Reiter entwickelten demenz-balance-Modell versetzten sich die auch in die Situation von Demenzbetroffenen. Die Expertin, die seit 25 Jahren Einrichtungen und Dienste im Umgang mit Demenzerkrankungen trainiert, stellte den personzentrierten Ansatz nach Tom Kitwood vor und gab Tipps für die Pflegepraxis wie die ABC-Regel oder die "Bienchendienst"-Methode. Dabei geht es darum, über den Tag viele kleine Interaktionen mit den Betroffenen anzubieten, um das Wohlbefinden zu steigern. Das könne beispielsweise ein liebevoller Blick sein, eine deutliche und demenzgerechte Ansprache, ein kurzes Gespräch mit Details aus der Biographie des Erkrankten oder eine Berührung. "Das machen Pflegekräfte schon ganz oft. Es geht aber darum, es noch öfters zu machen. Fühlt euch gut, das zu machen", so Klee-Reiter zu den Fachkräften.
Demenz-Betroffene verlieren nicht die Fähigkeit, das Leben zu genießen
Die Kölner Demenz-Expertin kritisierte zudem, dass Demenz in der medialen Darstellung häufig ausschließlich negativ dargestellt würde. "Wir haben eine negative Erzählung bei Demenz", betonte Klee-Reiter. Diese entspreche aber nicht dem Krankheitsverlauf bei Demenz. Menschen, die an Demenz erkrankt seien, verfügten, insbesondere am Anfang, noch über viele Ressourcen. Mit etwas Hilfe könnten sie noch lange ein selbstbestimmtes Leben führen. Die in Medien transportierten Bilder, beispielsweise von schlecht gekleideten, verwirrten, hilflosen Menschen, schürten bei vielen Menschen Ängste und führten dazu, eine Demenz-Diagnose oftmals mit einem sofortigen Todesurteil gleichzusetzen. Eine Demenz sei zwar eine sehr schwere Krankheit. Von Demenz-Betroffene verlören aber nicht die Fähigkeit, das Leben zu genießen. Zudem könne die Situation Betroffener durch Unterstützungsmaßnahmen gestaltet werden.
Fachstelle der Caritas leistet spezifische Beratung
Die Pädagogin Ulrike Goretzka stellte die Arbeit der Fachstelle Demenz im Main-Taunus-Kreis vor. Die Caritas-Stelle berät Angehörige, bietet Schulungen für professionelle Pflegekräfte, leistet Aufklärungsarbeit, weist auf bestehende Hilfsangebote hin und sensibilisiert mit Veranstaltungen für das Thema Demenz. "Die Schulungen, die wir anbieten, stehen allen offen", erklärt Goretzka. "Die meisten Angehörigen und Betroffene sind am Anfang sehr hilflos und überfordert von der Situation", so Goretzka. "Wir schauen dann auf die Person und welche Bedarfe sie wirklich hat und bieten dann kleine Bausteine an." Die Fachstelle hat das "Jahr der Demenz" ausgerufen. Im Main-Taunus-Kreis werden über 70 Veranstaltungen für Angehörige, Betroffene und Interessierte angeboten. Darunter ist auch eine Tanzveranstaltung für Menschen mit Demenz.
In seinem Grußwort betonte Diözesancaritasdirektor Jörg Klärner, wie sehr Demenzerkrankungen das Gesundheitswesen und das Pflegesystem herausfordern. "Die Betreuung und Versorgung von Betroffenen - ganz gleich in welchem Pflegesetting sie tätig sind - ist und bleibt eines der anspruchsvollsten Themen in der täglichen Praxis. Notwendig sind nicht nur pflegerisches Fachwissen und Expertise, sondern auch Empathie, Verständnis und die Geduld, sich in die Welt der Menschen mit Demenz einzufühlen", so Klärner. In Deutschland leben derzeit nach Angaben der Deutschen Alzheimer-Gesellschaft etwa 1,8 Mio. Menschen mit Demenz. Durch den demographischen Wandel soll die Zahl der bis 2050 um bis zu 1 Million auf 2,4 bis 2,8 Millionen anwachsen.