Umgekehrte Impf-Reihenfolge: Erstes Land impft JÜNGERE zuerst!

In Indonesien kommen nach Pflegekräften erst mal Lehrer und Polizisten dran

Zum Start der Impfkampagne in Indonesien wurde am Donnerstag in Jakarta ausschließlich medizinisches Personal geimpft

Zum Start der Impfkampagne in Indonesien wurde am Donnerstag in Jakarta ausschließlich medizinisches Personal geimpft

Foto: imago images/Xinhua

Bislang galt es als eine Art globaler Konsens: Weil sie das größte Risiko schwerer und tödlicher Covid-19-Verläufe hat, wird die älteste Bevölkerungsgruppe zuerst geimpft.

Doch jetzt hat sich das erste Land für eine komplett gegensätzliche Strategie entschieden: Indonesien (273 Millionen Einwohner) impft zuerst die 18- bis 59-Jährigen, also die Erwerbstätigen. Pflegekräften haben auch hier Vorrang. Danach kommen aber schon Lehrer, Polizisten, Verwaltungsbeamte und Soldaten. Und dann jeder, der einen Beruf ausübt.

Ma'ruf Amin, der Vizepräsident des Landes, soll mit seinen 77 Jahren hingegen leer ausgehen.

Restzweifel am Impfstoff „made in China“

Ein Grund für die radikal andere Strategie der Regierung in Jakarta ist der Impfstoff: Indonesien ist das erste Land außerhalb von China, das den „Coronavac“ Impfstoff der chinesischen Firma Sinovac millionenfach einsetzt.

Die Gesundheitsbehörden des Landes haben dem Impfstoff die Notzulassung erteilt. Weil aber die möglichen Nebenwirkungen auf Ältere noch wenig erforscht sind, soll zuerst die robusteste Bevölkerungsgruppe ran.

Tritt der erwünschte Impfschutz ein, so die Argumentation, trage dies indirekt dann auch zum Schutz der Bevölkerungsgruppe 60+ bei, die in Indonesien nur etwa zehn Prozent der Bevölkerung darstellt.

Auch diese Frau erhält in Jakarta den chinesischen Impfstoff, und im Anschluss eine Bescheinigung (links)

Auch diese Frau erhält in Jakarta den chinesischen Impfstoff, und im Anschluss eine Bescheinigung (links)

Foto: REUTERS

Regierung: Es geht auch um die Wirtschaft

Aber das ist nur ein Teil der Wahrheit. Die Regierung argumentiert nach dem Einbruch der Wirtschaftsleistung um etwa 2 Prozent auch ganz offen mit dem Vorrang, den man Erwerbstätigen einräumt. Fithra Faisal Hastiadi, Wirtschaftswissenschaftler und Sprecher des Handelsministeriums, setzt darauf, dass Wirtschaft, Tourismus und Konsum anspringen, die Impfstrategie „Millionen von Indonesiern wieder in Arbeit bringt“.

Öffentliche Gesundheit und Wirtschaft seien, anders als häufig dargestellt, „kein Widerspruch“, erklärte der Wissenschaftler in einem Interview mit „Al-Jazeera“. „Manche sagen, wenn man die öffentliche Gesundheit fördert, wird die Wirtschaft leiden und umgekehrt. Aber wir können die öffentliche Gesundheit nicht wiederherstellen, wenn wir die Wirtschaft nicht wieder ankurbeln. In diesem Sinne versucht die Regierung also, beides zu tun.“

Zweifel am Erfolg des Sonderwegs

Zweifel und Kritik an der Impfstrategie (Ziel: 181,5 Millionen Impfungen in 15 Monaten) gibt es wie überall reichlich. Dazu gehört die Befürchtung, dass Geimpfte weiter ansteckend, aber unvorsichtiger sein könnten, und somit zur Gefahr für die Älteren werden, die überwiegend zu Hause bleiben (müssen). Statt die Sterblichkeitsrate zu senken könnte die Impfkampagne sie also sogar noch ansteigen lassen.

Wirtschaftliche Genesung würde in diesem Fall mit Menschenleben bezahlt. Bisher wurden in Indonesien 850 000 Corona-Infektionen und 25 000 Todesfälle registriert.

So oder so: Wissenschaftler aus aller Welt blicken gespannt auf Indonesiens Sonderweg. Sie erwarten sich wichtige Erkenntnisse für die Pandemie-Forschung. Erfolg und Misserfolg der jeweiligen Impfstrategien lassen sich erst im Rückblick bewerten.

Das gilt auch für den umstrittenen Impfstoff aus China, der in vielen Schwellenländern zum Einsatz kommen soll. Zuletzt hat auch die Türkei dem Sinovac-Impfstoff eine Notfallzulassung erteilt.

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