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Teststrategie Wattestäbchen für alle: So soll der Weg aus dem Lockdown aussehen

Neue Teststrategie: So soll der Weg aus dem Lockdown aussehen
Das Bundesgesundheitsministerium sieht für jeden zwei wöchentliche kostenlose Schnelltests in Testzentren, Apotheken oder Praxen vor. Hinzukommen sollen Tests, die man in Geschäften kaufen und selbst durchführen kann. 
© Ergin Yalcin / Getty Images
Schritt für Schritt soll Deutschland in den kommenden Wochen zum Coronatest-Land werden. Das sieht der Öffnungsplan von Bund und Ländern vor. Doch wann Freiheiten nun wirklich kommen, ist nicht leicht zu sagen.

Das Wattestäbchen könnte im Frühjahr für viele zu einem Pflichtutensil im deutschen Alltag werden. Bis Anfang April sollen alle Menschen in Deutschland regelmäßig Schnell- und Selbsttests machen können. Bund und Länder stellen die Tests nach einem am Dienstag durchgesickerten, aber noch vorläufigen Beschlussentwurf mit ins Zentrum eines Öffnungsplans. Doch große Schritte aus dem Lockdown durch die Bund-Länder-Runde an diesem Mittwoch sind auch mit Tests nicht absehbar.

Bund und Länder waren sich vor einem Monat einig: Erst bei höchstens 35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern in sieben Tagen sollte es mehr Freiheiten geben. Kurz darauf begann diese Inzidenz mit dem Vormarsch der ansteckenderen britischen Virusmutation aber wieder zu steigen – auf nun 65,4.

Angela Merkels vorsichtige Abkehr von der 35

Am 25. Februar gab Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vorsichtig eine neue Parole aus: "Ich bin der Meinung, dass wir jetzt schauen müssen, und es muss sehr gründlich gemacht werden, ob wir uns durch ein vermehrtes Testen, auch mit diesen Selbsttests, einen Puffer erarbeiten können, so dass wir in der Inzidenz etwas höher gehen können als 35." Das sieht nach dem Beschlussentwurf nun so aus, dass die Zügel in manchen Bereichen wohl etwas gelockert werden sollen, wenn sich die Menschen testen.

Die Öffnungsschritte

Zunächst soll es nach dem vorläufigen Entwurf generell nur zu weiteren Öffnungen von Buch- und Blumenläden und Gartenmärkten kommen. Sowie bei körpernahen Dienstleistungen sowie "Fahr- und Flugschulen" mit Schnell- oder Selbsttest. Für den weiteren Einzelhandel, Museen und Hobbysport soll es erst ab einer stabilen Inzidenz unter 35 in einer Region oder einem Land wieder losgehen können. Bei steigenden Zahlen soll es wieder Verschärfungen geben.

Dann aber, bei über zwei Wochen konstanter Inzidenz, sollen Restaurantterrassen, Theater, Konzertäuser, Kinos öffnen können. Hier sollen obligatorische Schnell- oder Selbsttests ins Spiel kommen - und zwar wenn die Inzidenz zwar konstant bleibt, aber bei einem Wert oberhalb von 35. Als "Notbremse" bezeichnet der vorläufige Entwurf eine Rückkehr zum Lockdownstand heute im Fall von wieder steigenden Werten in einer Region. Konkrete Schritte für Restaurants drinnen, Hotels und anderes nennen Bund und Länder den Überlegungen von Dienstag zufolge voraussichtlich noch nicht.

Das Prinzip der Teststrategie

Alle Bürger sollen in Testzentren, Apotheken oder Praxen laut Konzept des Bundesgesundheitsministeriums zweimal wöchentlich kostenlos einen Antigen-Schnelltest machen lassen können. Der Beschlussentwurf für die Bund-und-Länder-Runde greift das so auch auf. Dazu kommen die Selbsttests, die man kaufen kann. Für Lehrkräfte und Schüler sind nach dem Entwurf für die Bund-Länder-Runde Schnelltests vorgesehen. Die Kultusminister der Länder übrigens wollen die Schüler noch nicht testen lassen - sondern erst "perspektivisch". Und sie wollen, dass der Bund die Tests zahlt. Unternehmen könnten nach den Bund-Länder- Ideen zu Schnelltests für Mitarbeiter in Präsenz verpflichtet werden.      

Wie läuft das Testen ab?

Bei Schnelltests führt geschultes Personal das Wattestäbchen tief in Rachen und Nase. Bei Selbsttest heißt es in der Anleitung eines von bisher drei zugelassenen Produkten: "Führen Sie die saugfähige Spitze des Tupfers vorsichtig in Ihr linkes Nasenloch ein. Stellen Sie sicher, dass sich die gesamte Tupferspitze in Ihrem Nasenloch befindet (2 – 4 cm tief). Führen Sie den Tupfer nicht weiter ein, wenn Sie einen Widerstand spüren. Rollen Sie den Tupfer mindestens 5 Mal gegen die Innenseiten Ihres Nasenlochs." Dauer bis zum Ergebnis: 15 Minuten.

Eigenverantwortung bei Tests

Schon nach einigen Stunden sind Tests nicht mehr wirklich aussagekräftig. Bei frisch Infizierten schlagen sie nämlich erst mit Zeitverzug an. Und außerdem könnte man sich ja nach einem Test neu angesteckt haben. Während Getestete bei den Schnelltests das Ergebnis schriftlich bekommen, ist es bei den Selbsttests Vertrauenssache, ob man getestet ist. Denkbar ist laut Gesundheitsressort aber, dass ein Veranstalter solche Tests Besuchern unter Aufsicht abverlangt. Der Präsident des Handelsverbands HDE, Josef Sanktjohanser, sagte schon, was er von Tests im Handel hält: "Extrem schwierig" würde es, wenn die Politik sagt, man könne nur nach einem Selbsttest in einen Modeladen. Ein "absoluter Rückschritt an Freizügigkeit" wäre es für ihn, dürften Lebensmittel-, Drogerie- oder Baumärkte nur Getestete einlassen.

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Impfen und digitale Kontaktnachverfolgung

Elf Millionen Impfdosen sollen bis Ende der Woche geliefert sein. Die Astrazeneca-Dosen lagern aber zu hunderttausenden in den Kühlschränken der Impfzentren. Zunächst sollen nun also etwas verstärkt die niedergelassenen Ärzte einspringen – und ab April nach den Bund-Länder-Überlegungen generell. Sie sollen dann auch etwas weniger strikt nach Priorisierungsgruppen vorgehen müssen als dies in den Impfzentren der Fall sein soll. Wann die Zentren geschlossen werden, ist offen. Die Gesundheitsämter sollen beim Stoppen von Infektionsketten auch mehr Kontaktverfolgung in elektronischer Form machen können. Ein technisches Gateway soll erst geschaffen werden. Welches Land das betreibt, ist offen.

Gedämpfte Erwartungen

Einen kräftigen Dämpfer könnten noch in dieser Woche erwartete neue Zahlen bringen – zur Verbreitung der ansteckenderen britischen Corona-Variante. Die Klinikärzte vom Marburger Bund warnen. Wenn die dritte Welle ungebremst auf die Millionen noch ungeimpften Jüngeren mit höherem Krankheitsrisiko trifft, würden mehr von ihnen zu Covid-19-Intensivpatienten, wie Verbandschefin Susanne Johna nun der Funke Mediengruppe sagte. Spahn mahnt: "Wir würden es uns allen nicht verzeihen, aber Sie auch Ihrer Regierung nicht, wenn wir jetzt zu schnell lockerten und auf einmal in vier oder sechs Wochen wieder vor ganz anderen Fragen stünden."

Basil Wegener / sve / fs DPA

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