Die Container sind sogar vom Weltraum aus sichtbar. Satellitenbilder zeigen auf der Pier des südchinesischen Hafens Yantian nahe der Megacity Shenzhen einen lückenlosen, hochgestapelten Teppich der überwiegend rötlichen Boxen. Besorgniserregend ist aber vor allem die geringe Zahl der Schiffe, die an den Kränen angelegt haben. Normalerweise liegen hier zwölf riesige Containerfrachter gleichzeitig und werden be- und entladen. Derzeit sind es nur zwei. Grund des Staus: Corona-Ausbrüche unter Hafenarbeitern, die in Isolation mussten.

Die Logistiker weltweit hatten gehofft, dass sich die Störungen in den Lieferketten durch Corona bis jetzt, zum Sommer, wieder auflösen. Stattdessen folgt nun der nächste Akt in dem Drama um feststeckende Fracht. "Der Rückstau in Yantian wird erhebliche Auswirkungen auf die Container-Warenflüsse haben", sagt Peter Tirschwell, Analyst für Seehandel bei dem Forschungshaus IHS Markit. "Die Auswirkungen werden mehrere Wochen anhalten."

Einerseits wird der Transport von Gütern teuer bleiben oder sogar noch teurer werden, sagt Tischwell dem China.Table. Andererseits könnte es, wie vor Weihnachten, zu Engpässen bei der Nachlieferung von Industriewaren kommen, die sich bis zum Jahresende hinziehen. Zugleich zeigt die neue Störung, wie anfällig die eng durchkalkulierten Lieferwege sind, von denen die globalisierte Wirtschaft abhängt.

Alles begann mit einem positiven Test

In Yantian stecken derzeit rund 160.000 Container der 40-Fuß-Klasse fest. Der Hafen liegt nordöstlich von Hongkong und ist der drittproduktivste Containerknotenpunkt der Welt. Es handelt sich um den Hafen, über den die Waren aus dem Industriezentrum Shenzhen in die Welt verschifft werden. Auf die Stadt entfallen zehn Prozent der chinesischen Exporte. Das Chaos hier gilt bereits als schlimmer als das Debakel um die Ever Given, die im März sechs Tage den Suezkanal blockierte.

Die Probleme in Yantian haben mit positiven Corona-Tests bei Hafenarbeitern begonnen. Am 27. Mai gaben die Hafenbehörden bekannt, den Betrieb zum Teil einzustellen, um eine Isolation der Mitarbeiter sicherstellen zu können. Das lief noch als Randnotiz in einer coronageplagten Wirtschaftswelt. Die Erwartung lautete, dass innerhalb weniger Tage wieder alles rund laufe. Doch die Schließung zog sich hin, während sich landseitig die Waren stauten und seeseitig die Schiffe in Wartestellung vor Anker lagen.

Nun ist davon die Rede, dass Yantian erst Ende Juni in den Normalbetrieb zurückkehrt. Doch der Schaden für die weltweite Logistik ist bereits angerichtet. Computer platzieren Container bereits Wochen im Voraus auf Schiffe, die noch am anderen Ende der Welt im Hafen liegen. Diese fein gesponnene Planung kann recht gut mit einzelnen Störungen umgehen, beispielsweise der Verspätung eines Frachters. Doch wenn massenhaft Schiffe ausfallen, gerät das System in eine Krise. Die Vorausberechnungen und Planungen stimmen immer weniger mit der Realität überein, und ein Container kann nicht einfach auf ein anderes Schiff gebucht werden, wenn dieses ebenfalls ausfällt.

Die Häfen in Südchina laufen zudem auf voller Kapazität und konnten die Last von Yantian nicht einfach abfangen. Die benachbarten Standorte Shekou, Nansha und Hongkong als naheliegende Ausweichplätze zeigen nun ebenfalls Anzeichen von Überlastung, die Umschlagzeiten dort werden länger. Auf den Meeren und Flüssen im ganzen Großraum des Perlflussdeltas tummeln sich Schiffe in Warteposition.