Es gibt erstaunlich wenige Filme, denen man auf den ersten Blick gleich ansieht, dass sie einem als Zuschauer, als Zuschauerin vor allem Spaß bereiten sollen (die aber nicht als Komödien konzipiert sind). I Care a Lot ist also ein Film, der keine Komödie ist, vielleicht aber eine Satire. Auf den Kapitalismus und das, was er aus Menschen angeblich macht. Das ist naheliegend, der Kapitalismus ist erstens eine ganz hervorragende Zielscheibe für Kritik und Spott, denn richtig gut tut er ja offenkundig nur Wenigen; und zweitens lässt sich ihm als System ein Menschenbild entlehnen, das man relativ leicht in quietschbunten Farben und groben Kontrasten darstellen kann. Und schon macht das Zuschauen Spaß, man kann sich seine eigenen Vorurteile bestätigen lassen oder einfach Freude am Quietschbunten haben. I Care a Lot färbt sich mit der Zeit noch recht blutrot.

Marla Grayson ist die Protagonistin, sie stellt sich als Erzählerin auch gleich unzweideutig vor. Zu halbzeitlupenhaften Aufnahmen aus einem Seniorenheim, die an alte Grunge-Musikvideos erinnern (auf der Tonspur läuft dabei Dirge von Death in Vegas) erzählt Marla die alte Schnurre, dass es "zwei Arten von Menschen auf dieser Welt" gebe. Bei Sergio Leone im Western ging der Witz noch auf Kosten des hässlichen Tuco und seines saublöden Patronenmangels ("You see, in this world there's two kinds of people, my friend: Those with loaded guns, and those who dig. You dig", sprach einst Clint Eastwood). Im sogenannten Spätkapitalismus, dessen Ende trotz der Popularität des Begriffs nicht so recht absehbar ist, hat niemand mehr Zeit für Scherze, hier wird alles noch ein bisschen atavistischer: Man sei entweder Raub- oder Beutetier, sagt Marla, es gebe nur "Löwen und Lämmer", und sie selbst sei eine "verdammte Löwin". Denn: "Fairness ist Zynismus, erfunden von reichen Leuten, um den Rest von uns in Armut zu halten. Und ich war mal arm." Das will sie nie mehr sein.

Marla ist tatsächlich eher ein Schwein denn eine um die eigene Brut besorgte Löwenmutter; letzteres ist nur eine Behauptung, die sie nach außen verkauft. Marla verdient ihr Geld als gerichtlich bestellter legal guardian (altertümlich "Vormund" genannt), jedoch nicht auf die nette, fürsorgliche Weise. Sie lässt alte Menschen ins Seniorenheim abschieben mit der Falschbehauptung, diese seien dement. Und dann macht Marla in Seelenruhe deren Vermögen zu ihrem, Stück für Stück, kostenpflichtige Dienstleistung um kostenpflichtige Dienstleistung. Eine Ärztin und ein Heimleiter sind Marias Komplizin und Komplize, und der immer gleiche Richter segnet das Geschäft stets treudoof ab. Das läuft großartig, die USA sind eine alternde Gesellschaft, viele Seniorinnen und Senioren haben Vermögen gebunkert, und das Gesundheits- und Pflegewesen ist ordentlich kaputt. Marla muss lediglich vor dem Richter bei der Übertragung der Vormundschaft die besorgte Altruistin mimen (in Deutschland gibt es nur noch die Entsprechung der "rechtlichen Betreuung", hier wird niemand mehr entmündigt).

An diesem Punkt muss man kurz zurücktreten, um diesem Film selbst nicht unnötig Zynismus und Menschenverachtung vorzuwerfen: I Care a Lot wurde gedreht, bevor es eine Pandemie gab und Senioren- und Pflegeheime zu dramatischen Corona-Hotspots wurden.

Was man dem Film aber durchaus vorwerfen kann, ist die Entschlossenheit, mit er das Klischee bedient, dass Seniorenheime Aufbewahrungsorte für Alte sind, die dort im Zweifel gegen ihren Willen eingesperrt werden und sediert ihrem Ableben entgegen dämmern. J Blakeson, der Drehbuchautor und Regisseur von I Care a Lot, benutzt dieses Stereotyp geradezu als Requisite, um die Hypothese von der Unmenschlichkeit des Kapitalismus und seiner daraus folgenden Zurichtung des Menschen selbst zu stützen. Das ist nicht besonders originell. Aber wie gesagt: Der Film soll offenbar erst einmal Spaß bereiten.

Der besteht in erster Linie darin, Rosamund Pikes fabelhaftes Spiel als Marla zu beobachten. Pike, die spätestens seit Gone Girl schon etwas stereotyp als schön-böse Frau besetzt wird, ist wahnsinnig gut darin, den menschlichen Abgrund zu verkörpern, die logische Erfüllung der Raubtiermetapher des Fressens und Gefressenwerdens.

Pike ist hier reine Oberfläche, der mittelgescheitelte Bob liegt ihr eng am Kopf an, die Businesskostüme sind crisp, die Absätze der roten Stöckelschuhe hoch. Ansonsten ist Pike reiner Wille in dieser Rolle. Marla will wirklich nicht mehr als bloß Geld machen und also nicht arm sein, weitere Erklärungen gibt es nicht, schon gar keine psychologischen. Dass Marlas Art der individuellen Wohlstandsvermehrung das Unglück anderer bedeutet, empfindet sie offenbar nicht als Preis, den sie moralisch zu zahlen hat. Es gehört zum Spiel. Wenn Marla überhaupt eine Motivation besitzt, dann die, die Fehler des Systems schamlos auszunutzen. Sie ist das, was dabei herauskommt, wenn man den Kapitalismus von sämtlichen Skrupeln befreit (und beim Zuschauer, bei der Zuschauerin den wohligen Schauer der Angst erzeugen möchte, man selbst könne auch einmal so enden, entmündigt und betrogen).