Dem im Exil in Deutschland lebenden Ex-Chefredakteur der regierungskritischen türkischen Zeitung Cumhuriyet, Can Dündar, soll in der Türkei nun doch auch wegen Spionagevorwürfen der Prozess gemacht werden. Der Oberste Gerichtshof in Ankara hob ein früheres Urteil gegen Dündar auf, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu meldete.

Der damalige Chefredakteur war im Mai 2016 wegen Geheimnisverrats zu fünf Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt, vom Vorwurf der Spionage aber freigesprochen worden. Dündar war gegen das Urteil in Berufung gegangen. Nachdem er während des Revisionsverfahrens auf freien Fuß gesetzt worden war, reiste er im Juli 2016 nach Deutschland aus. Er äußert sich in Texten und Interviews immer wieder kritisch über die Politik des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan.

Der Oberste Gerichtshof befand nun, ein neues Verfahren gegen Dündar müsse um den Straftatbestand der Spionage ausgeweitet werden. Laut Anadolu drohen Dündar dafür 15 bis 20 Jahre Haft. Hintergrund des Verfahrens ist ein Zeitungsbericht aus dem Jahr 2015, in dem die Cumhuriyet geheime Informationen veröffentlichte, die Waffenlieferungen der Regierung an Rebellen in Syrien belegen sollten. Der Cumhuriyet-Hauptstadtbüroleiter Erdem Gül war gemeinsam mit Dündar angeklagt und ebenfalls wegen Geheimnisverrats zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt worden. Anadolu berichtete, gegen Gül erhebe der Oberste Gerichtshof keine Spionagevorwürfe.

Can Dündar schreibt eine wöchentliche Kolumne in der ZEIT über die Krise in der Türkei. Die ZEIT und ZEIT ONLINE veröffentlichen die Folgen in deutscher und türkischer Sprache.